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9 LUISE SARTORIUS

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FRAUEN

LUISE SARTORIUS

1900 – ?

 

REGIMEKRITISCHE GEMEINDESCHWESTER

Geboren 1900 in Golßen als Tochter eines Pfarrers beginnt Luise Sartorius 1930 ihren Dienst als Gemeindeschwester in der Frankfurter St. Georgengemeinde. Ab 1933 entstehen in Frankfurt (Oder) Spannungen zwischen vier Pfarrern und den Deutschen Christen. Diese sind ein Zusammenschluss von protestantischen Kirchenmitgliedern, die zwischen 1932 und 1945 versuchen, die protestantischen Kirchen an die Ideologie der Nationalsozialist*innen anzupassen.

Auch der Pfarrer Franz Bahr, der in der St. Georgengemeinde zusammen mit Luise Sartorius arbeitet, wehrt sich gegen den ideologischen Druck der Nationalsozialist*innen in der Kirche. Zeitgleich mit drei weiteren Frankfurter Pfarrern wird er 1934 suspendiert und später versetzt. Viele Frankfurter Gemeindemitglieder äußern ihren Protest darüber und zeigen ihre Solidarität mit den Pfarrern, indem sie Briefe gegen die Suspendierungen und Versetzungen an das Reichsinnenministerium schicken. Eine treibende Kraft bei den Protesten ist Luise Sartorius, die Unterschriften sammelt und in einem Brief an die Kirchenfunktionär*innen ihre Weigerung unterstreicht, mit dem neu berufenen Pfarrer zusammenzuarbeiten, der Mitglied der Deutschen Christen ist und Pfarrer Bahr ersetzen soll. In ihrem eindrücklichen Brief hebt sie auch hervor, dass die Frauen- und Mutterhilfe sich in Bahrs Amtszeit erheblich verbessert hätten. Die Suspendierungen werden nach den Protesten zwar kurzzeitig zurückgenommen, es folgt jedoch erneut eine Versetzung des Pfarrers. Luise Sartorius weigert sich, unter einem anderen als Pfarrer Bahr zu arbeiten. Daraufhin erhält sie die Kündigung und wird aus ihrer Dienstwohnung im Gemeindehaus ausgewiesen. Unterstützt durch den Rechtsanwalt Untersänger, ebenfalls Frankfurter und Mitglied der Gemeinde, klagt Luise Sartorius vor dem Frankfurter Arbeitsgericht sowohl gegen ihre Kündigung als auch gegen die Versetzung des Pfarrers Fritz Bahr und gegen diejenigen Verfügungen und Gesetze, die den Kündigungen und Versetzungen zugrunde liegen. Denn diese, so Sartorius, seien nicht mit dem geltenden Kirchenrecht vereinbar, und daher nicht rechtskräftig. Damit stellt sie sich gegen die deutschchristliche Umstrukturierung des Protestantismus, mit der die Nationalsozialist*innen versuchen, die evangelischen Kirchen unter ihre ideologische Kontrolle zu bringen. Sartorius’ juristische Argumentation beeindruckt sogar den Rechtsanwalt der Gegenseite und setzt die nationalsozialistische Kirchenführung unter Druck. Dennoch kann sie vor Gericht nur einen Teilsieg erzielen: Ihre eigene Kündigung sowie die Versetzung des Pfarrers Fritz Bahr werden rückgängig gemacht, während die Gesetze und Verfügungen zur nationalsozialistischen Umstrukturierung der Kirchen für rechtskräftig erklärt werden. Luise Sartorius ist auch nach dem Krieg in Frankfurt in der Gemeinde aktiv, es finden sich jedoch kaum Belege über ihr weiteres Leben.

Gemeindehaus St. Georg, Karl-Ritter-Platz 4

transkribierte Auszüge aus dem Sartorius Protestbrief an die Kirchenfunktionär*innen

Frauen in der Kirche In der evangelischen Kirche in Deutschland wurde in den 1950er und 1960er Jahren in den meisten Gliedkirchen die Frauenordination eingeführt, Pfarrerinnen und Pfarrer sind inzwischen formal gleichgestellt. In der katholischen Kirche tritt 1983 das neue kirchliche Gesetzbuch in Kraft und beseitigt viele rechtliche Diskriminierungen von Frauen. Einige wichtige Funktionen sind jedoch bis heute männliche Domänen geblieben wie etwa das Priestertum und der Diakonat.