MARIE GOSLICH
1859 – 1938
SOZIALKRITISCHE FOTOJOURNALISTIN
Als eine der ersten Fotojournalistinnen geht die im Jahr 1859 in Frankfurt (Oder) geborene Eva Marie Elwine Goslich einen für ihre Zeit unkonventionellen Weg. Nach dem Besuch der Städtischen Höheren Töchterschule, der späteren Augusta-Schule in Frankfurt, erlernt sie zunächst Haushaltsführung, Sprachen, Musik und Schneiderei. Ab 1883 arbeitet sie als Erzieherin und Privatlehrerin in Berlin. Über eine Tätigkeit als Redaktionssekretärin im Verlag der „Preußischen Jahrbücher“ kommt sie zum Schreiben. Ab 1898 finden sich zahlreiche Veröffentlichungen von ihr in Berliner Tageszeitungen und Zeitschriften. Im Einwohnerverzeichnis Berlins wird sie von 1902 bis 1910 als „Marie Goslich, Frl. Schriftstellerin und Redakteurin“ geführt. Sie ist bereits 44 Jahre alt, als sie die damals noch sehr umständliche Technik des Fotografierens erlernt. Ausgestattet mit einer schweren Plattenkamera zieht sie durch ganz Brandenburg und Berlin. Ihre erste Veröffentlichung mit eigenen Bildern, eine Reportage über den Spreewald, erscheint 1905. Nach anfänglicher Begeisterung für Landschaftsmotive, fotografiert sie später vor allem Menschen und hält in eindrucksvollen Aufnahmen ihre Kritik an gesellschaftlichen Missständen fest. Sie dokumentiert den Alltag der Arbeiter*innen, porträtiert Bettelnde, Fischer und zeigt oft die besondere Situation von Frauen, etwa als unterbezahlte Näherinnen. Obwohl selbst aus gutem Hause stammend, macht Marie Goslich auf Wohungsnot und Armut in den Berliner Innenhöfen aufmerksam. Erst mit 51 Jahren heiratet sie den Schriftsteller Karl Kuhls und zieht mit ihm nach Potsdam. Wenige Jahre später lässt sie sich jedoch wieder scheiden und geht nach Geltow. Sie arbeitet unter anderem in der Redaktion des „Boten für die christliche Frauenwelt“ mit. Im November 1937 wird sie bereits als betagte Frau in die Landesanstalt Brandenburg-Görden gebracht. Danach kommt sie in die Landesheilanstalt Obrawalde, wo sie 1938 unter ungeklärten Umständen stirbt. Ab 1942 finden in Obrawalde systematische Tötungen durch die Nationalsozialisten statt.
Das fotografische Talent Marie Goslichs findet erst spät Anerkennung. Durch ein aufwendiges Verfahren werden 2007 die über 400 Fotoplatten aufgearbeitet, die Marie Goslich hinterlassen hat. Ihre Werke werden inzwischen vielfach ausgestellt. In Frankfurt erinnert seit 2012 ein Stolperstein an sie, der den Standort ihres Familienhauses in der ehemaligen Theaterstraße 1 markiert. Durch die Neuanordnung der Straßenzüge nach dem Zweiten Weltkrieg liegt dieser an der heutigen Kreuzung von Heilbronner Straße und Franz-Mehring-Straße. Ein weiterer Stolperstein für sie befindet sich in ihrem letzten freiwillig gewählten Wohnort in Geltow ebenso wie eine Gedenktafel im Rahmen des Projekts FrauenOrte im Land Brandenburg.